Donnerstag, 7. Mai 2009

Belgizismen

Könnt Ihr die ganzen Meldungen zu Krise, Stillegungen und Jobabbau auch nicht mehr sehen?

Dann machen wir heute zur Abwechslung einen linguistischen Exkurs. Es geht um die kleinen Eigenheiten im Französisch der Wallonen, die sogenannten Belgizismen, über die einige Leute auch heute noch die Nase rümpfen - sehr zu Unrecht, wie ich finde.

Das geht bei den Zahlen schon los, wo es für Lernende aus dem germanischen Sprachraum angenehmen einfach wird. Statt des sperrigen soixante-dix-sept und quatre-vingt-douze heißt es septante-sept und nonante-deux. Konsequenter sind nur noch die Schweizer, die sagen auch octante.

Wenn man einem Belgier etwas erzählt und er mit siwpläh? unterbricht, dann hat er nicht verstanden. S'il vous plait ? Der Franzose würde Pardon ? sagen. (Übrigens, nein, ich plenke nicht - das Leerzeichen vor dem großen Satzzeichen ?!;: ist in Frankreich wie in Belgien völlig korrekt.)

dire quoi... wie in Sonne-moi pour me dire quoi ! Gleich zwei Belgizismen: sonner für téléphonner und eben dire quoi: Bescheid sagen.

Qu'est-ce que t'es pour un homme ? fragt der Lütticher, und das darf man wörtlich übersetzen. Was bist Du für einer? Beruf, Frau, Kinder...?

La drache ist der Regenschauer, vorzugsweise als la drache nationale, der am 21. Juli nachmittags mit schöner Regelmäßigkeit auf der Parade zum Nationalfeiertag niedergeht.

La ducasse ist die Kirmes, bei den Franzosen la fête foraine.

Le kot ist die Studentenbude, das Verb dazu heißt koter.

Une eau plate bestellt man, wenn man in Belgien ein Wasser ohne Kohlensäure möchte. In Frankreich erntet man damit Heiterkeit oder Unverständnis. Dort ist nur das Bier plat - und das auch nur dann, wenn es schal ist.

Aller dans une friture ist in Belgien zwar allgemein üblich aber streng genommen falsch. Hier hat sich das flämisch/niederländische Frituur über die Sprachgrenze geschlichen. Denn la friture ist eigentlich das, was aus dem heißen Fett der friteuse kommt, also das Frittierte. Und die Frittenbude ist korrekterweise eben keine friture sondern eine friterie. Bisweilen hört man auch noch das schöne baraque à frites, wobei die klassische Bretterbude oder der Verkaufswagen mit den seit 20 Jahren platten Reifen und den zahlreichen Anbauten leider immer mehr der EU-Regulierungswut zum Opfer fällt und durch Friterien in festen Baulichkeiten ersetzt wird.

Damit wären wir aber schon bei den kulinarischen Belgizismen, und die sind eine Lektion für sich. Wahrscheinlich sogar mehrere. Dazu kommen wir später.

Jetzt sagen wir fürs erste à tantôt - bis gleich, bis neulich, man sieht sich... :-)


1 Kommentar:

Ruhrpottfotograf hat gesagt…

Schöner Sprachkurs :-)

Grüße
Joel