Donnerstag, 18. Februar 2010

Lüttich: Der Hochofen B und sein Preis



Es hat doch noch einen Tag länger gedauert, bis Arcelor und Gewerkschaften sich in allen Einzelheiten einig waren. Heute morgen um 1.30 Uhr war es soweit.


Wie man hört und liest, hat Arcelor die Verhandlungsführer der verschiedenen Gewerkschaften - Belgien hat für nahezu jede politische Richtung eine eigene Gewerkschaft - kurzerhand und ohne lange Vorbereitung vor die Wahl gestellt, Zugeständnisse zu machen, wie sie unter normalen Umständen völlig undenkbar gewesen wären, oder zuzusehen, wie stattdessen ein tschechischer Hochofen wieder angefahren würde.

So wird der Ofen jetzt mit weniger Personal betrieben, wobei der Anteil der Subunternehmer und der Zeitarbeitskräfte noch höher ist als vorher. Auch bei der Flexibilität hat man, jedenfalls was die Wallonie angeht, einen Präzedenzfall geschaffen, indem z.B. bei Umsetzungen von Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens kein Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten mehr gemacht wird. Das hatte es bisher nur bei Opel in flämischen Antwerpen gegeben.

Auf der anderen Seite hat Arcelor runde 1000 Arbeitsplätze wiederbelebt: 363 Stellen direkt in Ougrée, wobei etwa 300 Mitarbeiter aus der Flüssigphase letztes Jahr in den Werken der Kaltphase (Tilleur, Fémalle) sozusagen geparkt worden waren und jetzt zum Hochofen und in das Stahlwerk zurückkehren. 30 bis 40 Vorruheständler werden zurückgeholt, um 30 bis 40 neu eingestellte Mitarbeiter auszubilden. Im Rahmen dieser 300 wieder in der Flüssigphase beschäftigten Mitarbeiter erhalten 101, die bisher einen Zeitvertrag hatten, nun eine unbefristete Anstellung.

Weitere 220 Stellen in Ougrée und beim Stahlwerk in Chertal werden mit Kräften von Subunternehmern besetzt. Dazu gehören z.B. Verpackung, Transport und Wartung.


Für den Ersatz der 300 Leute, die nun aus anderen Bereichen zurückgeholt werden, seien laut Unternehmenssprecher Botton
alle Wege offen.

Zu diesen insgesamt 585 direkt (wieder-)geschaffenen Arbeitsplätzen kommen weitere rund 400 bei anderen Unternehmen im Umfeld.
Auch der Hafen Lüttich und die Eisenbahn, die die Flüssigeisenzüge von Ougrée nach Chertal, die Züge mit den Coils zurück nach Renory und schließlich die Fertigprodukte zu den Abnehmern transportiert, profitiert von der Wiederbelebung.

Alles in allem dürfte die Bilanz also positiv ausfallen, wenn... ja wenn sich die Konjunktur nicht noch einmal abschwächt. Denn wie wir jetzt wissen, kann man auch diese großen Hochöfen - entgegen der lange vorherrschenden Meinung - fast schon wie einen Gasherd nach Belieben an- und auch wieder ausmachen. Früher hätte das Wiederanblasen, das nun in Ougrée in 6 bis 8 Wochen stattfinden soll, eine Vorbereitung von 3 bis 6 Monaten gebraucht. Das senkt natürlich auch die Hemmschwelle für eine erneute vorübergehende Stillegung.

1 Kommentar:

Ruhrpottfotograf hat gesagt…

Danke für die Infos, klingt ja gut für die Arbeiter!

Grüße
Joel