Donnerstag, 11. Juli 2013

Verbilligte Rückfahrkarten nach Brüssel am 21. Juli

Am 21. Juli gibt es bei der SNCB anlässlich des Nationalfeiertags und der Krönung des neuen Königs verbilligte Fahrkarten nach Brüssel. Hin- und Rückfahrt zweiter Klasse ab einem beliebigen belgischen Bahnhof kosten zusammen 8 Euro. Außerdem werden zusätzliche Züge eingesetzt.

Fußend auf eigener Erfahrung anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen anno 2000 dürfte trotzdem dafür gesorgt sein, dass in den Wagen der 2. Klasse niemand umfallen kann.


Zur Erinnerung ein kleiner Reisebericht, den Yours Truly seinerzeit verfasst hatte:

Eine Monarchie hat schon ihre Vorteile. Der Kronprinz heiratet, und schon gibt es freies Bahnfahren für alle.

So geschehen im Königreich der Belgier am 4. Dezember letzten Jahres. Zugegeben, man hatte wohl eher darauf gehofft, dass möglichst viele Unterthanen nach Brüssel zum Jubeln und Fähnchenschwenken kommen würden. Als sich dann aber, in der dafür vorgesehenen Woche im November, die ersten 70.000 eine Fahrkarte zur Küste abgeholt hatten, was selbst die werktägliche Berufsspitze um ein Mehrfaches überschreitet, zog die belgische Eisenbahn die Notbremse. Keine weiteren Karten, aber jeder, der schon eine hatte, durfte jetzt zwischen Anfang Januar und Ende Februar an einem Tag seiner Wahl nach dem auf der Karte angegebenen Ziel und zurück fahren.

Wir hatten Karten von Welkenraedt nach Knokke genommen, damals bereits  ahnend, dass der größte Schwall wohl auf der Strecke nach Ostende auftreten würde. Nur schade, dass der erste Zug von Köln über Welkenraedt in Richtung Küste erst nach 9 Uhr von Köln Hbf. fährt und man so erst am frühen  Nachmittag ankommt. Also mit dem Auto nach Welkenraedt. [Anmerkung 2013: Heute wäre man froh, wenn es diese Züge ab Köln überhaupt noch gäbe.]

Der IC 532 der Linie A von Eupen nach Ostende läuft pünktlich um 9.12 Uhr in  Welkenraedt ein. An der Spitze eine Lok der Serie 13 mit 99er Fabrikschild, dahinter die neuen weißen Reisezugwagen, ebenfalls kaum ein Jahr alt und gebaut von Bombardier Eurorail (ehem. La Brugeoise et Nivelles, BN) in Brügge. Die Wagen laufen selbst auf der verschlissenen und teilweise nicht einmal durchgeschweißten Strecke nach Lüttich erfreulich ruhig. Die Innenreinrichtung ist recht gelungen, die Sitze sind bequem, und es wirkt alles etwas großzügiger als in einem deutschen Großraumwagen. Nur die Lüftung lärmt dermaßen, dass es sich auf das Innengeräusch kaum noch auswirkt, ob der Zug fährt oder steht. 

Angenehm die Displays an den beiden Enden, auf denen alle wichtigen Informationen (Laufweg, nächster Halt, usw.) fast ständig als Laufschrift angezeigt werden. Vorausgesetzt, man ist der gerade aktuellen Sprache mächtig. Denn natürlich werden die Texte in Wallonien ausschließlich in (F), in Brüssel in (F) und (NL), und in Flandern wiederum nur in (NL) angezeigt. Praktisch? Unpraktisch? Vernünftig? Zweckmaessig? Belgisch!!

Kurz vor Verviers kontrolliert der 'chef de train' in vorbildlicher Uniform die Fahrkarten und weist freundlich noch einmal darauf hin, dass wir in Brügge umsteigen müssen. Bei der Durchfahrt durch Pepinster wird der schon länger gefasste Beschluss, den dortigen Bahnhof mit dem herrlichen Vordach und der Gabelung nach Spa/Géronstère bei naechster Gelegenheit einer ausgiebigen Ablichtung zu unterziehen, nochmals aufgefrischt. 

Auffällig ist die allenthalben rege Bautaetigkeit. Meist parallel zur vorhandenen Strecke wird zur Zeit die TGV-Trasse angelegt. Der Raum dafür ist, vor allem in den Bahnhöfen, hauptsächlich durch den Kahlschlag von Gleisen und Gebäuden, die bisher dem Güterverkehr gedient haben, gewonnen worden. Entlang der freien Strecke müssen sich die Belgier nun mit etwas kürzeren Gärten abfinden. Und überall wird eifrig gebaut. Ob jedoch die Fertigstellung, wie geplant, im Sommer erreicht werden wird, erscheint eher zweifelhaft. Vielerorts ist man noch in der Abbruch- und Kahlschlagphase.

Schon bei der Ausfahrt aus Lüttich ist der Zug gut besetzt. Hoffnungen, dass sich alles in Brüssel etwas lichten wird, stellen sich als arger Irrtum heraus. Ab Brüssel Nord werden auch die Stehplätze knapp. Offenbar haben auch viele Belgier ihre Freifahrkarten in der Hoffnung auf gutes Wetter aufgehoben, wollen nun aber nicht riskieren, am allerletzten möglichen Wochenende (dem nächsten) doch noch in den Regen zu geraten. Und so mischen sich die diversen Landessprachen und das Geschrei des zahlreich mitgeschleppten Nachwuchses zu einer Kakophonie, bei der die Ankunft in Brügge als wahre Erlösung erlebt wird.

Die knapp 30 Minuten bis zur Abfahrt des Zugs nach Knokke werden dazu genutzt, einen Kaffee zu tanken und ein wenig von den immer köstlichen belgischen Backwaren zu naschen. Natürlich auch Sonntags jederzeit und überall zu haben. Ein zivilisiertes Land, eben...

Zurück im Bahnhof ist man gerade dabei, den IC der Linie E für die Weiterfahrt nach Blankenberge bzw. Knokke fachgerecht zu zerlegen, pardon... zu flügeln. Diese Linie wird sogar an beiden Enden geflügelt, doch davon später mehr.

Betrieben wird die 'E' mit neuen elektrischen Triebzügen der 500er Baureihe. Diese Serie ist ähnlich den dänischen IC-Garnituren aufgebaut. Die Fahrstände lassen sich nach innen schwenken, und es entsteht ein ganz normaler Durchgang. 

Auch hier ist die zweite Klasse so voll, dass wir erst garnicht versuchen, einen Platz zu finden, und die paar Kilometer lieber im Durchgang verbringen. Um 12.34 atmen wir, pünktlich in Knokke angekommen, in der guten Seeluft erst einmal kräftig durch und bewundern die recht museale Siemens-Technik des Stellwerks im Erdgeschoss des Bahnhofs. Komplett mit Fernschreiber T100.  Schönste 60er Jahre. Hoffentlich wird so etwas irgendwo wirklich einmal erhalten. 

Und schon begeben wir uns zur Endstelle der Straßenbahn in Richtung Ostende/La Panne. Die Schleife liegt gleich neben einem kleinen Betriebshof, in dem auch noch einige ältere Fahrzeuge (Typ S, Standard-BW) sichtbar sind, teilweise ziemlich angegammelt und mit Grafiti verunziert.

Die Tages-Netzkarte von "de Lijn" fuer die gesamte Küste (Strab und Bus) kostet 300 BFR pro Nase (rd. 15 DM). Über die Strab könnte man einen eigenen Reisebericht schreiben. Hier nur soviel: wer die Strecke nicht kennt, sollte einen Besuch unbedingt ins Auge fassen. Wo sonst gibt es eine Straßenbahn, die teilweise direkt am Meer entlang fährt? 

Was nun die Reize der Landschaft angeht... naja... "Manhattan on Sea". Dagegen ist Spanien glatt ein Idyll. Wie man seine ganze Küste fast lückenlos mit zehn- und mehrstöckigen Appartmentklötzen verbauen kann, lässt sich selbst mit der Raff- und Machtgier von Lokalpolitikern kaum noch erklären.
So wollen wir über den Rest des Tages - eine Orgie aus Straßenbahn, Frites und Cervelas - den Schleier der Barmherzigkeit breiten...

Am Abend kommt in Blankenberge die Straßenbahn nach Knokke reichlich spät. Der Zug um 19.07 Uhr wäre nicht mehr zu kriegen. Aber halt... wie war das mit dem Flügeln? Fährt die eine Hälfte nicht sowieso von Blankenberge, wo wir schon einmal hier sind? Also auf zum Bahnhof. Und tatsächlich, der Zug steht bereit, und die zweite Klasse ist jetzt schon voll besetzt. Dann lieber schnell noch zum Fahrkartenschalter und eine 'klasverhoging' auf die erste Klasse erworben. Man gönnt sich ja sonst nichts. Außerdem mit schlappen 15 Mark für die Strecke Blankenberge - Welkenraedt richtig billig. Und, wie sich unterwegs zeigt, sehr gut angelegtes Geld.

Nur schade, dass auch die neuen belgischen Triebzüge, wie alles moderne Wagenmaterial, mit diesen neumodischen metallbedampften Scheiben verglast sind. Das mag ja Energie bei der Klimaanlage sparen, aber der Ausblick ist  nachts restlos im Eimer. Langweilig. Und das, wo gerade nachts Bahnfahren so schön sein kann. Und da wir schon beim Meckern sind: die Abtrennung des Raucherbereichs ist ein erbärmlicher Witz. Zwei mehr symbolische Glasscheibchen ohne jede Wirkung. 

Ach ja, liebe SNCB, wie wär's eigentlich mit ein wenig Bewirtung? Und das ausgerechnet in Belgien, wo sonst an jeder Ecke eine Friterie steht. Nicht einmal jemand, der einem aus seinem Wägelchen einen Kaffee oder ein Glas Wasser verkauft. Keine Chance, seinen Mitreisenden ein Bierchen der Marke 'Unerwartetes Ableben' zu spendieren. 

Wegen des schlechten Anschlusses in Brügge wird beschlossen, bis Lüttich durchzufahren und dort umzusteigen, zumal die erste Klasse erfreulich leer bleibt, während ein Blick durch die Scheibe zum Nebenwagen 2. Klasse die beruhigende Gewissheit vermittelt, dass dort wenigstens niemand umfallen kann.

In Brügge selbst gehen für zwei Minuten das (halbe) Licht und die Heizung aus. Der Eingeweihte diagnostiziert sogleich die stromlose Zugsammelschiene, ein leichter Ruck und schon geht es weiter. Wir sind wieder 'lang'. Irgendwo weiter hinten im Zug sind jetzt die Wagen, die wir in Knokke verpasst hätten. 

Die wenigen, die in 'unseren' Wagen kommen, stutzen, murmeln etwas von 1. Klasse und schleichen gesenkten Hauptes davon. Naja, fast alle. 17jährige Mädchen mit riesigen Rucksäcken müssen einen besonderen Drang haben, ohne entsprechenden Fahrausweis die Freuden des komfortableren Reisens zu genießen. Mehrere Male lassen sich verschiedene Trüppchen dieser ständig schnatternden Spezies im Wagen nieder, um beim Herannahen des Zugchefs entweder schleunigst zu verschwinden oder mit Wimpernklimpern und Unschuldsmiene zu fragen, ob sie sitzenbleiben dürften - eine Frage, die mit einem Lächeln bejaht wird, vorausgesetzt natürlich, man sei willens, den dafür vorgesehenen Zuschlag zu entrichten. Und so kehrt wieder Ruhe ein, im Wagen. Es geht halt nichts über das Pflichtbewusstsein eines königlichen Beamten. 

Im Display erscheinen die ersten Hinweise, man möge sich gelegentlich in den 'richtigen' Teil des Zugs begeben oder dies spätestens in Landen über den Bahnsteig nachholen. Dort wird die Linie 'E' nämlich wiederum geflügelt. Ein Teil fährt über Hasselt nach Genk, der andere nach Lüttich (Guillemins). 

Die drei Amerikanerinnen im Wagen werden panisch. Nirgends ein Hinweis darauf, dass sie im Zug nach 'Liège' und damit richtig sind. Derweil verkündet das Display in der örtlichen Weltsprache, dass dieser Teil des Zugs nach 'Luik' fährt und dass man noch bis Landen in den 'gepasten' Wagen 'overstappen' kann. Kein Wort von 'Liège'. Wir sind halt noch in Flandern. Wie sagte schon Obelix.....??

Das Kuppeln und Trennen der Triebzugeinheiten scheint jedenfalls bestens zu funktionieren. Auch in Landen geht alles so schnell über die Bühne, dass man es kaum bemerkt. Kurz darauf erscheint erstmals 'Liège' im Display. Die Amerikanerinnen beginnen zu glauben, was wir ihnen seit einer halben Stunde predigen, und sinken sichtlich gealtert in ihre Sitze.

Kurz darauf erreichen wir Lüttich/Liège/Luik Guillemins und sitzen schon wenige Minuten später wieder im IC 'A', der uns eine halbe Stunde später in den unterdessen für die Nacht geschlossenen Welkenraedter Bahnhof entlässt.

Vor dem Bahnhof stellt sich beim Eiskratzen auf der Windschutzscheibe einmal mehr Bedauern ein, dass schöne Tage immer so schnell vorbeigehen und dass die Bahnverbindung Welkenraedt - Köln morgens früh und abends spät leider keine ist.

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